Zum Inhalt springen
Nachts in Polsum
Der Nachtwächter führt die Besucher durch sein Polsum, während die Mitglieder des Heimatvereins die Geschichte lebendig halten. Foto Marco Stepniak

Nachts in Polsum

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Katja Engelstadt

Wenn die Dunkelheit hereinbricht und es still wird in Polsum, dann ist es Zeit für den Nachtwächter aufzubrechen. Mit seiner Laterne führt er interessierte Besucher vorbei an historischen Gebäuden, weiß viele Geschichten zu erzählen, kennt die Vita seines Stadtteils und trifft auf alte Bekannte aus der Dorfgeschichte.

Eine Anmeldung für eine historische Nachtwächterführung erfolgt zeitgemäß über die Homepage. Doch dann beginnt die Zeitreise. Bernhard Mengede und seine engagierten Mitglieder des Heimatvereins säumen passend kostümiert als Marktfrau, Lehrerin, Schulkind, Turmwächter, untote Gefangene, Totengräber, Kiepenkerl, Schaffner und Lanzer an verschiedenen Stationen den Weg durch das Dorf.

Geschichte mit Humor

Während der Nachtwächter von den Zerstörungen im zweiten Weltkrieg berichtet und die Gäste rätseln, warum an einigen alten Gebäuden die Giebel gekürzt wurden (Lösung: Weil die Straßenbahn dort nicht durchpasste) taucht plötzlich ein altes Weib mit ihrem Marktkarren auf. Nach Essen zum Markt müsse sie zu Fuß, um ihre Waren feilzubieten. Die Leute in Gelsenkirchen hätten nur wenig Geld, so müsse sie den weiten Weg in Kauf nehmen. Fünf Reichsmark kostete sie ein Stück Butter, aber sie habe nur 160 Reichsmark im Monat zum Leben. Der alte Schaffner begegnet der Truppe kurze Zeit später. Vom Draht, den er ziehen muss, damit sich die Straßenbahn in Bewegung setzt und den ersten Schaffnerinnen erzählt er leidenschaftlich.

Ein Lied gibt er außerdem zum Besten. Die Besucher treffen auch den schwedischen Lanzer, der laut Überlieferung von einem Hund gebissen und daraufhin seine Truppen abgezogen haben soll. Von der Renovierung, Bombardierung und dem Wiederaufbau seines Kirchturms weiß Rudolphus der Turmwächter zu berichten. Und auch der Totengräber, das Schulmädchen, die Lehrerin, der Kiepenkerl und die weiße Frau aus dem Geheimgang unter der Kirche tragen charmant und mit viel Leidenschaft ihre Geschichten vor. Viel Historie gespickt mit Humor. Fakten, und Mythen… so entsteht in Polsum eine kurzweilige kleine Reise.

Heimat lebendig halten

„Wir haben in Polsum nicht mehr oder weniger Geschichte als anderswo“, erklärt Nachtwächter Mengede. „Aber die gilt es zu erzählen und weiterzugeben.“ Neben den historischen Nachttouren hat der Heimatverein auch zahlreiche Gebäude mit QR-Code-Tafeln ausgestattet. So kann jeder jederzeit Infos rund um die Geschichte abrufen. Der Heimatverein setzt sich aktiv für seinen Stadtteil ein, so wird z B. das alte Kriegsmal bald umgesetzt und in ein Mahnmal umgewidmet. „Kriegsopfer zu sein ist keine Ehre, sondern eine Warnung“, so Mengede.

Die Einnahmen aus den Stadtführungen kommen karitativen Zwecken zugute. Historisches und Gegenwart lassen sich so gut verbinden. Der Heimatverein Polsum ist aktuell Sieger des Heimatpreises 2024!

Info
Heimatverein Polsum

Hilgenort 24
45768 Marl

Artikel teilen:

Mehr aus Ihrem Vest: