Leben ist live, und live ist Leben – nach der Corona-Zwangspause ist die Eventlandschaft im Vest umso prächtiger aufgeblüht. Wir stellen Orte des Erlebens und der Begegnung vor und gehen dem Reiz des Live-Events auf den Grund, hier im Theater Marl mit seinem vielfältigen Programm.
Die Idee ist schon ein bisschen irre: Wir machen ein Musical mit zwei Chören, einer Rockband und einem sinfonischen Blasorchester, mit Musical- Darstellern, Streichern, Tänzerinnen, Beleuchtern und Bühnentechnikern, Schneiderinnen und Maskenbildnern … bis auf wenige Ausnahme sind alle Amateure mit normalen Berufen, Familien, Babysitter- und Urlaubszeiten. Sie alle waren zu finden, anzuleiten, zu motivieren, bei der Stange zu halten und einzuschwören auf das eine große Wochenende im September, an dem alles passen muss.
Kultband „The Tiger Lillies“ ist bekannt für
ihre wilde Mischung aus Vaudeville und
Punk-Cabaret und hat mit der Umsetzung
des Stoffs von Heinrich Hoffmann eine
anarchische Junk-Oper geschaffen, die
international wegen ihres schräg-makabren
Sound beliebt ist. Zu sehen am 1. Februar. Foto: Landestheater Demold
Wie das gelingt? „Aus einer Idee von René Lankeit entstand ein großes WIR“, schreibt Thomas Droberg, der im Musical „Jesus Christ Superstar“ die Rolle des Judas verkörpert. Und überhaupt: „Warum klein denken, wenn man auch mal größenwahnsinnig sein darf?“ Den Wahnsinn der Koordination hat sich vor allem René Lankeit angetan: Als Leiter des Jungen Blasorchesters Marl und des Chors „Polsum InTakt“ der Pfarrei Heilige Edith Stein gab er den Impuls und hielt die Fäden zusammen. Ein Jahr lang beschäftigten sich die unterschiedlichen Gruppen zunächst einzeln mit der Rockoper von Andrew Lloyd Webber. Anfang September kamen alle Beteiligten erstmals zur gemeinsam Probe im Theater Marl zusammen. „Es war atemberaubend“, sagt René Lankeit. „Mit war nicht klar, dass es so toll werden würde.“ Musikalisch ist das Frühwerk des jungen Webbers sehr emotional durch die Wechsel zwischen Stille, Orchester-Tutti und Rockband. Inhaltlich bietet die Rockoper über die letzten sieben Tage im Leben von Jesus Christus einen erstaunlichen Tiefgang, Momente zum Nachdenken – und ein Ende, das von Cornelius Demming so stark inszeniert ist, „dass die Leute fast weinen“. Vielleicht das Schönste: Aus dem Projekt entstand eine Gemeinschaft von Menschen, die wohl nie vergessen werden, was sie da geschaffen haben. Ein starkes Live-Zeugnis der lebendigen Musik-Szene in Marl.
am Klavier von Jens Thomas. Foto Steven Haberland
Die spektakuläre Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“ ist das erste große Live-Ereignis im Herbst, der für das Theater Marl die wichtigste Saison ist. Für die neue Spielzeit hat Theaterleiter Cornelius Demming erneut ein Programm zusammengestellt, das den Anspruch eines Stadttheaters erfüllt und mit mehreren Sparten ganz verschiedene Zielgruppen anspricht. Zugleich gilt es abzuwägen: „Was können wir bieten, was die anderen benachbarten Theater in Bochum, Dortmund, Essen oder Duisburg nicht können?“ Das ist zum Beispiel hochwertiges Boulevard-Theater, wie diesmal eine Komödie des britischen Pop-Autors Nick Hornby und schwarzer Humor in Alfred Hitchcocks „39 Stufen“. Oder eben klassisches Schauspiel wie Kleists „Der zerbrochne Krug“, Thomas Bernhards „Theatermacher“ und eine Adaption des Kultfilms „Harald & Maude“, die in Marl als Gastspiele des Westfälischen Landestheaters zu sehen sind. Natürlich legt Cornelius Demming Wert auf Lokalkolorit: Zum Beispiel mit einer Wiederaufnahme des „Ruhricals“, mit der Lesung „Ruhrpott-Köter“ von René Schiering oder „Herbert Knebels Affentheater“. Dazu kommen zahlreiche Stücke für Jugendliche und Kinder, wie das Weihnachtsmärchen „Robin Hood“.
7. Februar auf der Studiobühne im Stück
„Die furchtlosen Vampirkiller“, einer Umsetzung von Roman Polanskis Film „Tanz
der Vampire“ für das Figurentheater. Foto: Theater con Cuore
Schnell zupacken
Um das alles in ein ziemlich volles Halbjahr zwischen September und April zu bekommen, muss Cornelius Demming beim Planen schnell zupacken – denn die besten Angebote sind rasch ausgebucht. „Wir arbeiten viel mit den vier nordrhein-westfälischen Landestheatern zusammen, weil sie gute Stoffe suchen und diese hochwertig inszenieren, mit 
richtig guten Schauspielerinnen und Schauspielern“, erklärt Cornelius Demming. Und bei manchen Angeboten, die sich ruhrgebietsweit verkaufen ließen, aber entsprechend teuer sind, sagt der Theaterchef auch ganz entschieden Nein. „Wir sind das Theater der Stadt Marl – und machen in erster Linie Angebote für die Menschen aus Marl. Das ist wichtig, damit diese Stadt durch Kultur für alle attraktiv bleibt.“
                                
                                                                    
                                        Am Theater 1
                                        45768 Marl
                                    
                                    
                                
                                                            
